DiGA – Digitale Gesundheitsanwendungen: Was leisten sie wirklich? Ein kritischer Überblick mit aktueller Studienlage

06. Juni 2025

[Medizin] modern und klar

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), auch bekannt als „Apps auf Rezept“, sind mittlerweile Bestandteil der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Sie versprechen, Patient:innen durch digitale Unterstützung zu mehr Gesundheit und Lebensqualität zu verhelfen. Doch wie steht es um die wissenschaftliche Evidenz und das Kosten-Nutzen-Verhältnis dieser Anwendungen? Und wie bewerten aktuelle Studien die Situation?


Was sind DiGA?

DiGA sind zertifizierte Medizinprodukte, die primär von Patient:innen selbst oder gemeinsam mit Behandelnden genutzt werden. Sie können bei verschiedensten Indikationen verordnet werden – von psychischen Erkrankungen über Diabetes bis hin zu Rückenschmerzen. Die Kosten übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen, sofern die App im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet ist


Studienlage: Wie gut ist die Evidenz?

Ergebnisse aus der aktuellen FAU-Studie

Ein Forscherteam der FAU hat in einer aktuellen Übersichtsarbeit die Qualität der Zulassungsstudien für DiGA kritisch beleuchtet. Die zentralen Kritikpunkte:

  • Methodische Schwächen: Viele Studien weisen erhebliche Mängel auf, etwa fehlende Verblindung, unzureichende oder fehlende Kontrollgruppen, hohe Abbruchraten und wenig repräsentative Teilnehmergruppen (z.B. überdurchschnittlich digitalaffine Nutzer:innen)
  • Transparenz: Studienprotokolle werden oft nicht veröffentlicht, was die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse erschwert
  • Kosten-Nutzen-Verhältnis: Viele DiGA werden zu hohen Preisen angeboten, obwohl die Wirksamkeit nicht immer ausreichend belegt ist. Besonders bei vorläufig zugelassenen Apps ist dies problematisch
  • Forschungslücken: Systematische Kosten-Wirksamkeits-Analysen sind selten und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Es gibt bislang keine einheitliche Bewertung, ob der Nutzen den Preis rechtfertigt

Die FAU-Forscher fordern daher eine deutliche Verbesserung der Studienqualität und mehr Transparenz.

Weitere wissenschaftliche Analysen

Auch andere aktuelle Übersichtsarbeiten bestätigen diese Kritik. Eine systematische Literaturübersicht der Universität Bielefeld zeigt, dass es bei DiGA-Studien häufig an fundierter Evidenz und an geeigneten Bewertungsinstrumenten mangelt. Es besteht ein hohes Risiko für Verzerrungen und eine eingeschränkte Übertragbarkeit auf die breite Versorgung

Eine Analyse der Universität Leipzig kommt zu dem Schluss, dass die meisten dauerhaft gelisteten DiGA zwar einen medizinischen Nutzen durch randomisierte kontrollierte Studien (RCT) nachweisen, sich aber Beobachtungszeiträume, Stichprobengrößen und Abbruchquoten erheblich unterscheiden. Die methodische Umsetzung ist nicht immer auf internationalem Top-Niveau


Preise: Teuer, aber auch wirksam?

Die Preise für DiGA liegen meist zwischen 260 und 570 Euro für drei Monate, einzelne Anwendungen sind noch teurer. Besonders kritisch: Auch für DiGA ohne nachgewiesene Wirksamkeit können im ersten Jahr hohe Preise abgerechnet werden, da die Hersteller die Preise zunächst weitgehend frei festlegen können

Mit der Einführung der anwendungsbegleitenden Erfolgsmessung (abEM) ab 2026 sollen die wissenschaftlichen Anforderungen an DiGA steigen. Dann müssen auch nach der Zulassung regelmäßig Daten zum tatsächlichen Nutzen erhoben werden, die Auswirkungen auf den Preis haben sollen


Kontroverse: Kritik und Gegenargumente

Die Kritik an den Zulassungsstudien stößt bei Herstellern und Branchenvertretern auf Widerspruch. Sie verweisen auf die klaren gesetzlichen Vorgaben des BfArM und argumentieren, dass eine Verblindung bei digitalen Anwendungen praktisch kaum umsetzbar sei – eine Placebo-App sei wenig sinnvoll.

Dennoch bleibt die Forderung nach mehr wissenschaftlicher Strenge bestehen.


Fazit

DiGA bieten zweifellos Chancen für die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung. Die derzeitige Studienlage zeigt jedoch: Viele Apps sind teuer, ohne dass der Nutzen durch hochwertige, unabhängige Studien eindeutig belegt ist. Die Forderung nach besseren Studien und mehr Transparenz ist berechtigt – und mit der angekündigten Erfolgsmessung könnte sich die Evidenzlage in den kommenden Jahren verbessern.


Literaturangaben

  1. Mäder, M. et al. (2023): Evidence requirements of permanently listed digital health applications (DiGA) and their implementation in the German DiGA directory: an analysis. BMC Health Services Research.
    [https://www.wifa.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/aktuelle-publikation-zu-den-anforderungen-an-die-evidenz-von-dauerhaft-gelisteten-digitalen-gesundheitsanwendungen-diga-und-deren-umsetzung-im-deutschen-diga-verzeichnis-2023-04-21][1]
  2. Dietzel, N., Zeiler, M., Kolominsky-Rabas, P.L. (2025): Wissenschaftliche Evidenz und Kosten von DiGA. G+G Wissenschaft (GGW), Heft 1, 16–23.
    [https://www.wido.de/publikationen-produkte/zeitschriften/ggw-gesundheit-gesellschaft-wissenschaft/ausgabe-1-2025/?L=0][3]
  3. zm-online (2025): Apps auf Rezept – hohe Preise trotz mangelhaft nachgewiesener Wirksamkeit.
    [https://www.zm-online.de/news/detail/apps-auf-rezept-hohe-preise-trotz-mangelhaft-nachgewiesener-wirksamkeit][3]
  4. Mielitz, A. (2023): DiGA Evidence – Universität Bielefeld. Systematische Literaturübersicht.
    [https://www.uni-bielefeld.de/fakultaeten/medizin/fakultaet/arbeitsgruppen/digitale-medizin/forschung/diga-evidence/][4]
  5. Quickbird Medical (2025): Kritik an DiGA-Studienmethodik trifft auf Widerspruch.
    [https://quickbirdmedical.com/news/kritik-diga-zulassungsstudien-methodik/][5]

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